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Am 13. Juni 2021 stimmen wir unter anderem über zwei Volksinitiativen ab, welche beide weitreichende Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft haben. Welche Auswirkungen diese Initiativen hätten und weshalb sie beide abgelehnt werden sollten, wird im Folgenden umschrieben.

Was will die «Trinkwasserinitiative»?

Den Initianten der Trinkwasserinitiative sind die Emissionen der Landwirtschaft (Pestizidrückstände im Trinkwasser, Überdüngung, Futtermittelimporte, Antibiotika etc.) ein Dorn im Auge. Sie wollen, dass die Schweizer Landwirtschaft ökologischer wird und auf den Gebrauch von Pestiziden, prophylaktischen Antibiotikaeinsatz und betriebsfremdes Futter verzichtet. Wer sich nicht an diese Vorgaben halten möchte, muss auf Direktzahlungen verzichten.

Anders ausgedrückt: Die Initiative verlangt, dass nur noch jene Landwirtschaftsbetriebe Direktzahlungen – sprich Entschädigungen für ökologische, gemeinwirtschaftliche Leistungen – erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika verzichten sowie ausschliesslich so viele Tiere halten, wie sie mit betriebseigenem Futter ernähren können.

 

Welche Auswirkungen hätte die «Trinkwasserinitiative»?

Schon jetzt ist eine Diskussion über die Interpretation des Initiativtextes entbrannt, weil die Initianten von einer weniger strengen Auslegung des Begriffs «Pestizide» und der Interpretation von betriebseigenem Futter ausgehen, als es der Bundesrat in seiner Botschaft zur Initiative macht. Damit zeigt sich deutlich, dass diese Initiative keine Probleme löst, sondern neue erschafft.

Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass sämtliche Pflanzenschutzmittel und Biozide als Pestizide gelten und darunter fallen auch einige Wirkstoffe, die im Biolandbau zugelassen sind. Demzufolge sind von der Initiative nicht nur konventionelle Betriebe, sondern auch Biobetriebe betroffen.

Der Austausch von Futter zwischen zwei Betrieben wäre inskünftig nicht mehr möglich, weil eben nur so viele Tiere auf einem Betrieb gehalten werden dürfen, wie mit betriebseigenem Futter ernährt werden können. Reicht das eigene Futter aufgrund einer Trockenperiode zum Beispiel nicht aus, die eigenen Tiere zu versorgen, darf kein Futter zugekauft werden, ansonsten würde man keine Direktzahlungen erhalten. Die Schweine- und Hühnerhaltung wäre kaum noch möglich in der Schweiz, weil ein Grossteil dieses Futters zugekauft bzw. importiert werden muss.

Pflanzenschutzmittel sind nicht ungefährlich, sie haben jedoch eine wichtige Aufgabe: Die Ernte vor Schadeinwirkungen durch Unkräuter, Pilze oder Insekten zu schützen und damit den Ertrag zu sichern. Ausserdem werden sie eingesetzt, um die von den Konsumentinnen und Konsumenten verlangte einwandfreie Qualität zu gewährleisten. Angefressene Kartoffeln oder zu klein geratene Äpfel lassen sich im Handel kaum verkaufen, daher werden Pflanzenschutzmittel eingesetzt.

Verzichtet die Schweizer Landwirtschaft vollständig auf sämtliche von der Initiative erfassten Pflanzenschutzmittel, würde die Inlandproduktion auf jeden Fall zurückgehen. Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz würde weiter sinken (ca. 20%) und damit steigt gleichzeitig die Abhängigkeit vom Ausland. Das steht im Widerspruch zum Verfassungsartikel betreffend die Ernährungssicherheit.

Es ist anzunehmen, dass einzelne Betriebe auf den Erhalt von Direktzahlungen verzichten und ihre Produktion dann intensivieren. Dass das zu stärken Umweltauswirkungen führt, weil weiterhin Pestizide eingesetzt werden und unter Umständen mehr Tiere gehalten werden, liegt auf der Hand. Die Initiative führt also zu einer Umkehrreaktion, die weder ökologisch noch nachhaltig ist.

 

Fünf Argumente gegen die «Trinkwasserinitiative»

1

Weniger Selbstversorgung, mehr Nahrungsmittelimporte

Der Selbstversorgungsgrad würde mit Annahme der Initiative schätzungsweise 20% sinken, damit müssen mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden, wo mit Sicherheit keine vergleichbar strengen Produktionsvorschriften gelten wie in der Schweiz. Die Umweltprobleme werden ins Ausland verlagert und gleichzeitig steigt die Auslandabhängigkeit. Mit der Trinkwasserinitiative schiessen wir uns praktisch ins eigene Knie.
2

Weder ökologisch noch nachhaltig

Für gewisse Landwirtschaftsbetriebe (z. B. Geflügelproduzenten, Spezialkulturen) wäre es wirtschaftlich lohnenswert, auf Direktzahlungen zu verzichten und sich den Regeln der Initiative zu entziehen. Diese Betriebe würden ihre Produktion aufstocken und intensivieren, was schliesslich das Gegenteil der Initiative bewirkt: mehr Pestizide, mehr Futterimport, mehr Emissionen.
3

Konsumverhalten steht im Widerspruch zur Initiative

Auch wenn viele Konsumenten vorgeben, sie würden beim Einkauf auf die Herkunft und die Nachhaltigkeit achten, entscheidet am Schluss vielfach der Preis. Importware ist günstiger, aber nicht besser. Das Konsumverhalten muss sich zuerst ändern, denn eine höhere Nachfrage nach Bioprodukten (heute ca. 10%) würde die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft reduzieren.
4

Schweizer Landwirtschaft wird weiter kastriert

Das Dilemma der Schweizer Landwirtschaft wird grösser: Mit immer mehr und strengeren Auflagen im Bereich Umweltschutz und Ökologie, die sicher eine Berechtigung haben, sollen immer mehr Menschen ernährt werden, aber kaum jemand ist bereit, mehr Geld für nachhaltig und in der Schweiz produzierte Lebensmittel auszugeben. Die Trinkwasserinitiative will weitere Verschärfungen einführen und schränkt die Schweizer Landwirtschaft damit empfindlich ein.
5

Nachhaltigkeit geht auch ohne Trinkwasserinitiative

Die Politik hat die Umweltauswirkungen der Schweizer Landwirtschaft erkannt und erarbeitet Massnahmen, diese zu reduzieren (z. B. Aktionsplan Pflanzenschutz). Mit Forschung und Fördermassnahmen sollen die Umweltziele der Landwirtschaft erreicht werden, dafür braucht es kein radikales Umkrempeln der Schweizer Landwirtschaft.

Was will die «Pestizidinitiative»?

Die Initiative will sämtliche synthetischen Pestizide in der Schweiz gänzlich verbieten, und zwar im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sowie in der Boden- und Landschaftspflege.

Grundsätzlich dürften keine Lebensmittel mehr importiert werden, die mit synthetischen Pestiziden produziert wurden. Gleichzeitig ist der Pestizideinsatz in der Schweiz auch verboten. Davon erhoffen sich die Initianten gesündere Lebensmittel und weniger Verunreinigungen durch Pestizide.

 

Fünf Argumente gegen die «Pestizidinitiative»

1

Wirksamer Pflanzenschutz wird erschwert

Ein pauschales Verbot von synthetischen Pestiziden schränkt die Möglichkeiten der Schweizer Landwirtschaft erheblich ein, ihre Ernte zu sichern und Schädlinge gezielt zu bekämpfen. Der Anbau bestimmter Ackerkulturen (z. B. Kartoffeln und Zuckerrüben) würde erschwert, hohe Ertragseinbussen wären die Folge. Ausserdem steigt der Arbeitsaufwand für alternative Pflanzenschutzmassnahmen.
2

Importverbot von pestizidbelasteten Lebensmittel nicht umsetzbar

Die Initiative will faktisch ein Importverbot für mit Pestiziden verunreinigten und produzierten Lebensmitteln durchsetzen. Dieses Anliegen ist zwar konsequent, aber steht im Widerspruch zum geltenden WTO-Übereinkommen. Auch wenn eine solche Einschränkung des Handels zulässig wäre, würde das die Versorgungssicherheit der Schweiz massiv gefährden.
3

Ertragssicherheit und Versorgungssicherheit nehmen ab

Da das Anwendungsverbot für die gesamte Landwirtschaft verpflichtend ist, muss mit teilweise massiven Ertragseinbussen gerechnet werden. Es entstehen erhebliche Ertragsverluste, die Abhängigkeit von Importen steigt, die Versorgungssicherheit ist gefährdet.
4

Hygiene und Lebensmittelsicherheit stehen auf dem Spiel

Desinfektionsmittel, die in der verarbeitenden Industrie eingesetzt werden, wären ebenfalls verboten und das erschwert letztlich die Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften. Die Lebensmittelsicherheit wird mit dieser Initiative aufs Spiel gesetzt.
5

Lebensmittelpreise steigen aufgrund zusätzlicher Vorschriften

Zusätzliche Aufwendungen, weil keine Pestizide und (teilweise noch nicht vorhandene) Alternativen eingesetzt werden, verteuern die Lebensmittelproduktion. Die Folge wären steigende Lebensmittelpreise und womöglich auch ein knapperes Angebot.

Fazit

Wir haben es hier mit zwei gut gemeinten, aber extremen Initiativen zu tun, welche die Schweizer Landwirtschaft vor zusätzliche Herausforderungen stellt. Die Problematik der Gewässerverunreinigungen ist bekannt, aber die Landwirtschaft ist nur eine von vielen Verursacherinnen. Mit Innovationen in der landwirtschaftlichen Produktion und einer Förderung von nachhaltigen Produktionsformen wird es gelingen, den in Ungnade gefallenen Pestizid- und Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft zu reduzieren. Das Problem wurde erkannt und wird von den Landwirten auch aktiv angegangen.

Setzen wir lieber das Vertrauen in die Schweizer Landwirtschaft anstatt mit extremen Agrarinitiativen das Problem ins Ausland zu verlagern und gleichzeitig die einheimische Produktion zu schwächen. Wer weiterhin gesunde Lebensmittel aus einheimischer Produktion konsumieren will, lehnt beide Initiativen am 13. Juni 2021 ab.