Anlässlich der August-Session 2021 des Grossen Rats wurde der Fraktionsauftrag der SP betreffend Unterstützung und Einbezug der Jugend während der Corona-Pandemie behandelt. Konkret adressiert dieser die Probleme, welche die Corona-Massnahmen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen hervorriefen und fordert von der Regierung einen Austausch mit Jugendorganisationen und Jugendlichen, um gemeinsam nach kurz- bis langfristigen Lösungen zu suchen. Die SVP-Fraktion hat sich dafür ausgesprochen, diesen Auftrag zu unterstützen. Leider wurde der Auftrag grossmehrheitlich abgelehnt. Nachfolgend kann mein Votum im Rat nachgelesen werden.
Sehr geehrte Frau Standespräsidentin,
Hohe Regierung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen
Kinder und Jugendliche sind die grossen Vergessenen dieser gegenwärtigen Krise! Obschon Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene hinsichtlich einer Ansteckung mit Covid-19 und dem Krankheitsverlauf kaum gefährdet sind, waren und sind junge Menschen überdurchschnittlich stark von den behördlichen Massnahmen betroffen.
Die Kindheit und Jugend ist eine wichtige, aber vergängliche Zeit. Sie ist dazu da, um Kontakte zu Mitmenschen zu knüpfen, Freunde zu finden, Abenteuer zu erleben, die eigenen Grenzen auszuloten, sich aus- und weiterzubilden. Vieles davon war im vergangenen Jahr und zu Beginn dieses Jahres nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Freizeitaktivitäten wurden vorübergehend verboten, mittlerweile sind sie unter Auflagen wieder zugänglich. Die Folgen all dieser Massnahmen sind ansatzweise bekannt und wurden seit Beginn des Jahres immer häufiger thematisiert. Das ist unter anderem den Jugendorganisationen und -verbänden zu verdanken. Sie haben sich immer wieder dafür eingesetzt, dass auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen eingegangen wird.
In der aktuellen Situation haben Junge wiederum einen schweren Stand: Unter 12-Jährige können sich derzeit nicht impfen, die unter 30-Jährigen mussten zudem zuwarten, bis sie an die Reihe kamen. Und jetzt steht das Covid-Zertifikat im Raum! Junge Menschen, die vom Gesundheitlichen her nur sehr bedingt von Covid-19 gefährdet sind, werden unter Druck gesetzt, sich zu impfen. Der Druck erhöht sich, weil die geforderten Testkapazitäten nicht immer vorhanden sind. Der nächste Schritt ab Oktober ist, dass die Testung kostenpflichtig wird. Dafür habe ich persönlich wenig Verständnis. Sollten wir doch gerade den Jungen, die auf Vieles verzichten mussten, die Freiheit lassen, sich entweder regelmässig kostenlos testen zu lassen oder sich zu impfen.
Die Regierung konnte nun verschiedentlich davon Kenntnis nehmen, wie es um die Situation von Kindern und Jugendlichen steht. Noch im Februar haben Kollegin Favre Accola, ein Gymnasiast und der Sprechende in einem offenen Brief die negativen Auswirkungen der Covid-19-Krise auf Kinder und Jugendliche adressiert. Im April habe ich dann zusätzliche Fragen zum «Monitoring der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen» bei der Regierung eingereicht. Für die ausführlichen Antworten möchte ich mich an dieser Stelle beim Regierungsrat bedanken.
Die Antworten, die ich erhalten habe, sind im Weitesten deckungsgleich mit der Antwort der Regierung zum Fraktionsauftrag der SP. Eine effektive Handlungsbereitschaft ist leider nicht spürbar, vielmehr stellt sich die Regierung auf den Standpunkt, bereits das Nötige unternommen zu haben, um die Lebensbedingungen zu verbessern. Ich anerkenne die Bemühungen der Regierung in dieser Sache und auch die Pionierleistung im Bereich der Massentests an Schulen, was den Schülerinnen und Schülern ein Stück Normalität zurückgab.
Mittlerweile hat der Bundesrat auch Lockerungsschritte verfügt, wovon insbesondere junge Menschen stark profitiert haben. Doch das allein darf uns nicht dazu veranlassen, die Jungen bei der weiteren Krisenbewältigung und der Überwindung der Folgeschäden erneut zu vergessen. Der Schaden in Form von Perspektivlosigkeit, gehäuft auftretende psychische Probleme, höhere Suizidalität, allenfalls gestiegene Armut, Bildungslücken, Angst vor gesundheitlichen Folgen usw. ist angerichtet. Wir müssen die Situation also weiterhin im Auge behalten und die besonderen Bedürfnisse der jungen Menschen berücksichtigen.
Es reicht also nicht aus, wenn die Regierung den Standpunkt vertritt, alles Nötige unternommen zu haben, um die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen während der Krise zu verbessern und sie dann gleichzeitig als Beispiel anfügt, sich für offene Skigebiete und offene Terrassen eingesetzt zu haben. Dieses Engagement – das möchte ich betonen – ist absolut lobens- und begrüssenswert, aber verstehen Sie bitte auch, dass Sie damit die Bedingungen für Kinder und Jugendliche nicht massgeblich verbessert haben.
Noch eine Randbemerkung zu den Lockerungen ab März 2021: Die Regierung hätte es im Rahmen des Konsultationsverfahrens zu den Lockerungsschritten in der Hand gehabt, sich effektiv für bessere Bedingungen von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Bestimmt kann der Regierungsrat hierzu ausführen, ob und inwiefern er sich für die Lockerungen von Kindern und Jugendlichen eingesetzt hat.
Was nun aber der vorliegende Auftrag fordert, ist ein Austausch der Regierung mit Jugendorganisationen, der zum Ziel haben soll, kurz- bis langfristige Massnahmen zu erarbeiten, wie die Auswirkungen der Covid-19-Krise abgefedert werden können. Letztlich führt dieser Auftrag genau dazu, dass an einer sogenannten «Post-Covid-Strategie» gearbeitet wird, die von Seiten der Jugendverbände und der Eidg. Kommission für Kinder- und Jugendfragen gefordert wird. Es handelt sich dabei keineswegs um eine völlig neue und willkürliche Forderung.
Und gerade im Kontext des neuen Kantonalen Programms zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik wäre ein Austausch ein erster Schritt zu mehr Partizipation bei Angelegenheit, welche Kinder und Jugendliche direkt betreffen. Im Rahmen dieses erwähnten Programms hat sich herausgestellt, dass im Bereich der Partizipation grosser Handlungsbedarf besteht. Aus dem neuen Leitbild geht auch hervor, dass Kinder und Jugendliche einen «zentralen Stellenwert im Kanton Graubünden» einnehmen und dieser Stellenwert wird ihnen nur dann zu Teil, wenn er auch gelebt wird. Sehen Sie diesen Austausch als Chance in zweierlei Hinsicht: Erstens lassen sich so die Bedürfnisse der jungen Menschen direkt im Austausch gezielt abholen, um die negativen Effekte mit den richtigen Massnahmen abfedern zu können und zweitens kommt das neue Leitbild bereits beispielhaft zum Tragen.
Gemeinsam mit Bündner Jugendorganisationen, den Jungparteien, Vertreterinnen und Vertretern der Jugend selbst und beigezogenen Experten lassen sich die Brennpunkte der Krise umfassend adressieren. Doch allein das soll nicht der Zweck sein, denn vielmehr soll es auch darum gehen, was der Kanton kurz- bis langfristig für Massnahmen umsetzen soll, um die entstandenen Bildungslücken zu schliessen, die Chancengerechtigkeit wiederherzustellen, die psychischen Probleme zu behandeln, die verursachte Armut zu überwinden und den Weg in die Normalität wiederzufinden.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie namens der SVP-Fraktion diesen Auftrag zu überweisen. Vielen Dank.