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Grosser Rat

Votum betreffend Aktionsplan «Green Deal für Graubünden» – Grundsatzfrage 1

By 20. Oktober 2021No Comments

Sehr geehrte Frau Standespräsidentin
Hohe Regierung, Geschätzte Kolleginnen und Kollegen

Die Frage, ob der Kanton Graubünden seinen Beitrag zum Netto-Null-Ziel leisten soll oder nicht, erinnert mich an die gegenwärtige Impfthematik: Wer sich nicht impft, gehört zu den Schlechten – wer es macht, zu den Guten. Wer das Netto-Null-Ziel – zumindest so wie es in der Grundsatzfrage formuliert ist – nicht mittragen kann, muss sich anhören, verantwortungslos zu sein, den Klimawandel zu leugnen usw. Folglich ist die Fragestellung schon etwas polemisch, eigentlich fast schon suggestiv: Es gibt ja eigentlich nur eine – in Anführungszeichen – richtige Antwort.

Bevor wir diese Frage vernünftig beantworten können, gibt es zwei weitere Fragen zu klären, das möchte ich nun ausführen:

  1. Können wir unter Berücksichtigung der globalen Relevanz das Ziel überhaupt erreichen?
  2. Wollen wir dieses Ziel unter allen Umständen und zu jedem Preis erreichen?

Klimapolitik ist eben keine Politik, die wir als vorbildliche Schweiz weltweit mit einem sehr kleinen CO2-Ausstoss pro Kopf massgeblich beeinflussen können. In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan im Bereich der Energieeffizienz, im Energieverbrauch – es gibt auch Projekte verschiedene Projekte – wie wir gehört haben – die auch ohne AGD Wirkung erzielen. Doch die Bewegung müsste primär in jenen Ländern entstehen, in welchen der Treibhausgasausstoss wesentlich höher und problematischer ist als in der Schweiz. Das sind Länder wie China, USA, Russland, arabische Länder [i]. Wir haben es gestern von Kollege Alig gut verständlich für alle gehört: Die Schweiz ist für gerade einmal 0.1% des weltweiten Ausstosses verantwortlich. Aufgrund des Bevölkerungswachstum und des zunehmenden Wohlstands werden die Emissionen eher nicht weniger werden. Die Wirkung unserer Massnahmen – die wir teuer zu erkaufen haben – verpufft dann plötzlich.

Klar, ich werde wahrscheinlich zu hören bekommen, dass diese Haltung egoistisch sei und uns als Schweiz oder eben als Kanton Graubünden nicht aus der Verantwortung nimmt. Wir als SVP-Fraktion nehmen die Schweiz und Graubünden nicht aus der Pflicht, sind aber mit der Vorgehensweise und verschiedenen Massnahmen nicht einverstanden. Wir als Kanton können einen Beitrag leisten, die Emissionen zu reduzieren. Aber: Wir müssen wissen, dass das Netto-Null-Ziel sodann verpufft, wie rund um uns herum – sprich weltweit – mehr Treibhausgas emittiert wird. Insofern kann ein Ziel nicht anstrebenswert sein, wie wir eben wissen, dass es aufgrund von Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, gar nicht erreicht werden kann. Was ich damit sagen möchte: Dieses Ziel sollte vielmehr als grober Richtwert und weniger buchstabengetreu in die Politik einbezogen werden.

Der Treibhausgas-Ausstoss in Graubünden ist gemäss dem Bericht zum Aktionsplan höher als das Schweizer Mittel. Die Erklärung liegt auf der Hand: Es ist die Landwirtschaft, welche aufgrund der Tierhaltung etwas mehr emittiert – da Verweise ich auf das Votum von Kollege Grass. Und schliesslich ist es auch die Industrie, denn ein Betrieb allein ist für fast einen Viertel der Bündner Emissionen verantwortlich. Unsere Topografie führt dazu, dass mehr motorisierter Verkehr unterwegs ist und im Winter mehr geheizt werden muss.

Das Berechnungssystem der Emissionen ist nicht nur intransparent und sehr technisch, es ist unserer Ansicht nach auch unvollständig. Würden wir nämlich den positiven Effekt des exportierten Wasserstroms berücksichtigen, dann könnten wir wahrscheinlich heute schon stolz behaupten, als Kanton klimaneutral unterwegs zu sein.

Kommen wir zur Frage des Willens: Die Willensbekundung fand ja eigentlich schon mit der Überweisung des Auftrags für diesen Aktionsplan statt. Doch jetzt wo die Massnahmen und Kosten sowie die Finanzierung auf dem Tisch liegen, sieht es vielleicht etwas anders aus.

Kann es unserem Willen entsprechen, viele Millionen – ja sogar mehr als eine Milliarde – für Massnahmen auszugeben, über deren umfassendes Kosten-Nutzen-Verhältnis wir noch nicht sehr viel wissen? Mit einer Rückweisung hätten wir diese Möglichkeit gehabt, mehr über das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erfahren. Ich erachte es schon als zentral, dass Massnahmen, die dem übergeordneten Ziel dienen, nicht einfach nur einen Haufen Geld kosten, sondern auch eine Wirkung erzielen. Auf dem Preisschild muss also auch stehen, welchen Nutzen es bringt, wie die Emissionen reduziert werden können, welche positiven Nebeneffekte entstehen, wie die Schadenskosten reduziert werden, welche Erfahrungswerte es in diesem Bereich gibt und schliesslich wird es auch nötig sein, zu wissen, wie die Gesellschaft diese Massnahmen mittragen und finanzieren kann. Wenn wir Auskunft darüber haben, können wir besser über Einzelmassnahmen befinden.

Ich nehme es vorweg: Die SVP-Fraktion wird diese Frage mit Ja beantworten und der Kommissionsmehrheit folgen. Das «Aber» folgt sogleich: Wir stimmen dieser Frage zu, unter der Prämisse:

  • dass der Kanton Graubünden zwar seinen Beitrag zum Netto-Null-Ziel der Schweiz beiträgt, dabei das Ziel aber nur als Richtwert versteht. Es kann nicht sein, dass wir als Kanton Graubünden alles daransetzen, das Ziel zu erreichen, während andere Länder ihren Beitrag nicht zu leisten bereit sind.
  • Und dass die Massnahmen vor Umsetzung und vor der Beschlussfassung durch den Grossen Rat einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden. Das Geld soll so wirksam und effizient – eben nachhaltig – eingesetzt werden, wie möglich. Es ist zu unterscheiden zwischen Massnahmen die «must-have» und «nice-to-have» sind. Diese Transparenz fördert, dass wir hier die richtigen und wichtigen Massnahmen umsetzen und nicht mit dem Giesskannenprinzip einfach alles was gut tönt, umsetzen.

Wenn wir als SVP-Fraktion dem also zustimmen, dann ist das ein Zeichen, dass wir bereit sind, einen Beitrag zu leisten – ich hoffe, Sie haben das verstanden. Aber eben nicht um jeden Preis.

[i] https://www.nzz.ch/international/klimaschutz-wo-stehen-die-laender-bei-den-klimazielen-ld.1641282#subtitle-2-wo-stehen-wir-bei-den-klimazielen-des-pariser-abkommens-first