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Wenn es um die «Ehe für alle» geht, hat nun doch das Volk das letzte Wort. Es erwartet uns ein spannender, von Angst geprägter Abstimmungskampf.

In der Schweiz dürfen Stand heute nur ein Mann und Frau heiraten, so sieht es das Gesetz vor. Doch im vergangenen Dezember hat das Parlament entschieden, gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zum rechtlichen Konstrukt der Ehe zu gewähren. Weil das Referendum aus konservativen Kreisen zustande gekommen ist, wird nun das Volk das letzte Wort haben.

 

Um was geht es überhaupt?

Die Vorlage will, dass nicht nur ein Mann und eine Frau, sondern auch zwei Frauen oder zwei Männer den Bund der Ehe schliessen können – nicht vor Gott, sondern vor dem Staat. Damit ist schon einmal klargestellt, dass es sich um eine rein rechtliche und keine romantische oder spirituelle Sache handelt.

Heute dürfen zwei Frauen oder zwei Männer sich im Rahmen der eingetragenen Partnerschaft gegenseitig absichern. Dieses Konstrukt ist der Ehe in vielen Bereichen gleichgestellt. Auch wenn die eingetragene Partnerschaft immer noch besser ist als keine Absicherung, ist diese Ungleichbehandlung von heterosexuellen und homosexuellen Paaren völlig ungerechtfertigt. Diese Ungleichbehandlung fusst alleine und ausschliesslich auf der Tatsache, dass jemand eine andere sexuelle Orientierung hat.

Vergleicht man eine homosexuelle und eine heterosexuelle Frau (gilt für Männer gleichermassen), so lassen sich objektiv keine Unterschiede erkennen, die erstens nicht auch zwischen zwei heterosexuellen Frauen erkennbar wären und zweitens eine Ungleichbehandlung vor dem Schweizer Gesetz rechtfertigen würden.

Damit ist das Wichtigste zur «Ehe für alle» bereits gesagt. Subjektiv betrachtet, gibt es keine Argumente gegen die «Ehe für alle».

 

Ehe ist kein göttlicher Akt

Es gibt jedoch Bevölkerungsgruppen, welche der «Ehe für alle» äusserst kritisch gegenüberstehen. Sie sehen darin eine völlige Abwertung der heutigen Ehe, die als «natürliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau» angesehen wird. Ich vertrete durchaus auch die Auffassung, dass alles «Schützenswerte» zu schützen ist, aber eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist aus meiner Sicht nicht schützenswerter als eine Lebensgemeinschaft von zwei Männern oder zwei Frauen. Nur weil die Katholische Kirche den Anspruch erhebt, sie wisse, dass Gott die Ehe ausschliesslich für Mann und Frau geschaffen hat, sollten wir dieser Behauptung in dieser Sachfrage nicht zu viel Beachtung schenken, schliesslich geht es bei der Ehe um die rechtliche Absicherung gemäss Zivilgesetzbuch und nicht um eine göttliche Angelegenheit, wie einige das gerne hätten.

 

Samenspende ist umstritten

Zugegeben: Die Verknüpfung der «Ehe für alle» mit dem Zugang zur Samenspende und gleichgeschlechtliche Frauenpaare war vielleicht im Hinblick auf eine rasche Umsetzung der «Ehe für alle» etwas ungeschickt. Denn die Samenspende – ganz generell die Fortpflanzungsmedizin – wird von einigen sehr kritisch beurteilt. Es ist ein Eingriff in die Fortpflanzung der Menschheit, das wirft moralische Fragen auf, weshalb eine Diskussion darüber nicht grundsätzlich falsch ist. Persönlich würde ich mich nicht als Gegner der Samenspende bezeichnen, dennoch würde ich behaupten, dass es gegen den Zugang zur Samenspende für lesbische Paare eher stichhaltige Argumente gibt als gegen die «Ehe für alle», denn gegen Letztere gibt es keine!

In dieser Frage ist es vielleicht hilfreich, aufzuklären, dass homosexuelle Frauen schon heute auf die Samenspende und homosexuelle Männer auf die ebenfalls höchstumstrittene Leihmutterschaft zurückgreifen können. Natürlich nicht in der Schweiz, sondern im nahen und fernen Ausland. Damit wäre auch zu dieser Sache das Wichtigste gesagt: Wenn wir die Samenspende und die Leihmutterschaft zumindest in der Schweiz verbieten, dann exportieren wir einfach die Bedürfnisbefriedigung ins Ausland und importieren schliesslich im Ausland gezeugte Kinder von homosexuellen Paaren.

Und sollte nun jemand den Versuch starten wollen, zu behaupten, zwei Männer oder zwei Frauen seien schlechte Eltern, dem oder der empfehle ich, sich mit dem hochgehaltenen Kindeswohl in heterosexuellen Familien auseinanderzusetzen. Kinderarmut, häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch, Fremdplatzierung, Drogenexzesse usw. sind nur einige Themenfelder, die praktisch ausschliesslich in heterosexuellen Familien vorkommen, weil wir uns als Gesellschaft bisher immer gegen homosexuelle Familienmodelle ausgesprochen haben.

 

Abstimmung schafft Klarheit

Die anstehende Abstimmung wird die nötige Klarheit schaffen. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die Zeit der Gleichbehandlung überreif ist und eine Mehrheit in der Bevölkerung ebenfalls dieser Auffassung ist. Obwohl ich lieber gehabt hätte, dass die «Ehe für alle» ohne Volksabstimmung umgesetzt wird, freue ich mich auf diese Abstimmung. Denn die von Angst geprägten Argumente gegen die «Ehe für alle» sind in meinen Augen äusserst amüsant. Gerade das Aufbegehren christlicher Kreise gegen diese Vorlage zeigt, wie ernst sie es mit ihren eigenen Geboten nehmen. Denn die Bekämpfung der «Ehe für alle» ist keineswegs ein Akt der Nächstenliebe.